Grass hatte in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" berichtet, er habe sich mit fünfzehn Jahren freiwillig zur U-Boot-Truppe gemeldet, die aber niemanden mehr genommen habe. So sei er als Siebzehnjähriger aus dem Reichsarbeitsdienst nach Dresden zur Waffen-SS einberufen worden. Er habe in der zehnten SS-Panzerdivision "Frundsberg" gedient. Bislang hatte es in den Biographien des 1927 geborenen Schriftstellers geheißen, er sei 1944 als Flakhelfer eingezogen worden und habe dann als Soldat gedient.
Grass nimmt in seinem Erinnerungsbuch "Beim Häuten der Zwiebel" dazu Stellung, das im September erscheint. "Mein Schweigen über all die Jahre zählt zu den Gründen, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Das musste raus, endlich", sagte er der "FAZ". Er habe damals versucht, um die Einberufung herumzukommen. "Ich habe mir selbst die Gelbsucht beigebracht, das reichte aber nur für ein paar Wochen."
Zu seiner freiwilligen Meldung zur Wehrmacht zuvor sagte er: "Mir ging es zunächst vor allem darum rauszukommen. Aus der Enge, aus der Familie. Das wollte ich beenden." Erst später habe ihn "dieses Schuldgefühl als Schande belastet". Es sei für ihn immer mit der Frage verbunden gewesen: "Hättest du zu dem Zeitpunkt erkennen können, was da mit dir vor sich geht?"
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Die persönlichen Aussage von Grass, er habe zuerst der Enge der Familie entkommen wollen, lässt erkennen, dass er die nationalistische Idee mit 15 Jahren als das Gegenteil empfand, das Gegenteil von der Beengtheit in der Familie. Warum konnte er nicht die Familie in Ehren halten und gleichzeitig zum Militär gehen? Warum muss er als noch als 80-Jähriger seine Familie belasten, als sei sie eine Entschuldigung für seine Euphorie für die Nazis?
Seine Einberufung als 17-Jähriger wollte er dagegen umgehen. Er brachte sich die Gelbsucht bei. Aber es habe nichts genützt. Wie diese Wandlung zustande kam, hätte ich gerne gewusst. Er wandelte sich vom jugendlichen Fanatiker, der seine Familie eintauschte, eventuell sogar geistig wegwarf, zu einem Kriegsdienstverweigerer. Im ersten Fall wurde er nicht angenommen, musste in die ungeliebte Familie zurück, und im zweiten Fall wollte er innerhalb der Familie verbleiben, obwohl er zu einer Elitetruppe einberufen wurde? Etwas stimmt nicht an diesen Details.
Grass ist eine öffentliche Person und log bis er 80 war. Wenn er so lange log, sagt er dann bei den Details die Wahrheit?
Dass er als 17-Jähriger zur Waffen-SS kam, halte ich mit der Gelbsuchtgeschichte unvereinbar. Die Einberufung ist selbst dann noch kein Vergehen, wenn er als Jugendlicher begeistert war. Er besaß die eine Information, nämlich seinem Land nur so dienen zu können. Die Frage ist, ob er als SS-Mann Verbrechen beging. Gerade gegen Kriegsende waren es solche Einheiten, die am laufenden Band liquidierten, zu Erschießungskommandos gegen Deutsche entarteten.
Nach dem Krieg haben viele Deutsche geschwiegen, statt zu sagen, "ja, ich habe Fehler gemacht, Kinder, macht diese Fehler nicht". Darum gab es einen gravierenden Generationskonflikt, der in der 68er-Bewegung mündete, zu der Altbundeskanzler Schröder gehörte. Der Grund war das Lügen im Schweigen.
Grass ist einer der letzten noch lebenden Lügner im Schweigen. Ich vermute, dass sich das Lügen nicht mit der Einberufung allein erklären lässt. Verstrickung und Schuld sind es schon eher.
Weitere Kritikpunkte sind, dass Grass sein Bekenntnis kommerziell verwertet und dass er jetzt damit herauskommt. Denn jetzt könnte er bei vielen Jugendlichen, die sich neonazistischen Vereinigungen angeschlossen haben, geradezu als leuchtendes Vorbild erscheinen.
Wieder hatte ich Recht, denn kritische Punkte zu Grass fanden sich in meinen Artikeln schon einige (dieses Forum ist eine Fortsetzung meiner unentgeltlichen Arbeit für Deutschland seit 1998).