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Fritz Reuter ist in Stavenhagen noch immer präsent. Der Schriftsteller und Dichter gehört zu der Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern ebenso wie das Schloss und die Stadtkirche aus dem 18. Jahrhundert.
Oder auch das alte Rathaus, in dem er vor 200 Jahren geboren wurde. Heute beherbergt es das Fritz-Reuter-Literaturmuseum. Das Denkmal davor zeigt den Literaten in typischer Pose: lässig auf einem Stuhl sitzend und mit einer Hand seinen Vollbart kraulend. So ist er auch auf zeitgenössischen Fotos zu sehen. Reuters Geburtstag jährt sich am 11. November 2010 zum 200. Mal - das Literaturmuseum seiner Heimatstadt lohnt aber auch davor schon einen Besuch.
Ganz einfach hat Fritz Reuter es seinen Zeitgenossen nicht gemacht. Zum geachteten Schriftsteller - einem der meistgelesenen seiner Zeit - und zum Vorreiter niederdeutscher Literatur wurde er erst spät. Bis dahin galt er in seiner Familie als schwieriger Fall. Das Literaturmuseum verschweigt das nicht und versucht, die ganze Lebensgeschichte des Autors zu erzählen, von Anfang an: Fritz Reuter war der Sohn des Bürgermeisters, was erklärt, warum er im Rathaus zur Welt kam. Zu seinem 100. Geburtstag 1910 wurde dort die Reuterstube eingerichtet, um an den berühmten Sohn der Stadt zu erinnern.
Die Reuterstube gibt sich biedermeierlich, und das passt in jeder Hinsicht: In der Biedermeierzeit ist Fritz Reuter groß geworden - mit der betulichen Behaglichkeit, mit der Wohnzimmer damals eingerichtet wurden, und mit dem politischen Obrigkeitsstaat, gegen den die meisten Bürger nicht aufzumucken wagten. Chaiselongue und Kachelofen, Sekretär und Tabakpfeife sind passende Ausstellungsstücke, die die damalige Wohnkultur repräsentieren. Mit seinen Eltern sprach Fritz Hochdeutsch. «Platt» lernte er auf der Straße, von Nachbarskindern, den Mägden und Knechten.
Als Reuters Mutter starb, war er gerade 15. Nicht einmal zwei Jahre später hat er Stavenhagen verlassen, um in Parchim zum Gymnasium zu gehen. Der Vater zwang ihn zu einem Jurastudium, zunächst in Rostock, dann in Jena in Thüringen. Sein Studium dort begann er 1832 - dem Jahr, in dem beim Hambacher Fest demokratisch gesonnene Studenten den Mächtigen zeigten, dass ihre Lust auf Biedermeier Grenzen hatte. Fritz Reuter mischte in Jena mit, wenn die politisch aufmüpfigen Burschenschaftler der «Germania» loszogen und manchmal auch losschlugen. Reuter wurde festgenommen, aber wieder laufengelassen. Anschließend flüchtete er aus Jena.
Das Literaturmuseum zeigt Scherenschnitte aus seiner Studentenzeit und auch Reuters Studentenmütze. Erneut verhaftet wurde er in Berlin im Jahr darauf. Der Obrigkeitsstaat reagierte auf Studenten, die ihn infrage stellten, mit brutaler Härte: Reuter wurde wegen Hochverrats zum Tod verurteilt und verschwand nach seiner Begnadigung hinter Gefängnismauern, wurde depressiv und alkoholabhängig. Erst 1840 kam er auf freien Fuß. Das Verhältnis zu seinem Vater war da schon zerrüttet. Hoffmann von Fallersleben, der Dichter der Nationalhymne, hat Reuter dann geraten, die Geschichte seiner Haft aufzuschreiben.
Und das ließ der sich nicht zweimal sagen: «Ut mine Festungstid» heißt das Buch, «Aus meiner Festungszeit». Und es ist nur einer der Titel, die ihn bald berühmt machten, wie das Literaturmuseum anhand zahlreicher seiner Werke zeigt: Bühnenstücke gehörten ebenso dazu wie Gedichte, kleinere Texte wie «Meine Vaterstadt Stavenhagen» oder «Ut mine Stromtid», aus dem im Museum mittwochs um 15.00 Uhr regelmäßig vorgelesen wird.
Als Fritz Reuter 1874 in Eisenach starb, war er ein angesehener Bürger und Bestsellerautor. Stavenhagen hatte ihn nicht vergessen: Noch zu seinen Lebzeiten wurde am Rathaus auf Beschluss von «Rath und Bürgerschaft» eine Plakette angebracht, die daran erinnert, dass der Dichter im Zimmer dahinter das Licht der Welt erblickte.