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Klinsmann USA und Deutschland

Beitrag von micha » 30.04.2012, 05:44

Ein Interview:

Herr Klinsmann, angenommen, in nicht allzu ferner Zukunft treffen die deutsche und die US-amerikanische Fußballnationalmannschaft aufeinander, sagen wir, im Soldier Field Stadium in Chicago. Die deutsche Nationalhymne wird zuerst gespielt. Wie reagieren Sie in dem Moment als Nationaltrainer der USA – stehen Sie auf und singen mit?

Das kann ich Ihnen gar nicht so genau sagen. Es dürfte mir schwer fallen, die deutsche Nationalhymne in so einem Moment nicht mitzusingen. Das mache ich eigentlich automatisch. Ich habe sie jedenfalls immer mitgesungen, als Spieler und auch als Trainer. Warum nicht auch in so einer Situation? Es muss ja nicht unbedingt mit dem Spiel selbst zu tun haben.

Und im Anschluss singen Sie die US-Hymne mit?

Die muss ich erst noch auswendig lernen. Einen Großteil der US-Hymne kenne ich natürlich. Sie ist einfach wunderschön. Ich finde es klasse, dass die Amerikaner ihre Hymne vor jedem größeren Sport-Event in den Profi-Ligen spielen. Das ist für sie eine Selbstverständlichkeit.

Sie meinen, die Amerikaner haben eine unverkrampftere Haltung zu ihrer Hymne als die Deutschen?

Die Amerikaner haben eine sehr enge Bindung zu ihrer Hymne. Und das gefällt mir.


Die Deutschen haben also eine verkrampfte Haltung zu ihrer Nationalhymne. Stimmt!

Beitrag von micha » 21.08.2011, 12:30

einestages Zeitgeschichten auf SpiegelOnline bringt heute einen guten Artikel von Karin Seethaler, der auf der kürzlichen Entdeckung von diversen Hymnen-Vorschlägen anstelle der ersten Strophe des Deutschlandliedes basiert. Sie wurden alle in den Jahren 1949-51, nach der Gründung der Bundesrepublik, eingereicht. Keine konnte Gefallen finden. Wichtige bzw. lohnende Passagen markiere ich rot und setze Anmerkungen.


http://einestages.spiegel.de/external/S ... turedEntry


Konrad Adenauer zum 75. Geburtstag: Das Geschenk eines Bürgers, der mit seiner Umdichtung dem "lieben alten Deutschlandlied" zu neuem Glanz verhelfen wollte.

Deutschland, Deutschland, du mein Alles,
du mein Alles in der Welt.
Wenn es stets als Hort des Friedens
brüderlich zusammenhält.
Für die alten deutschen Grenzen,
für den Schutz von Wald und Feld.
Deutschland, Deutschland, du mein Alles,
du mein Alles in der Welt.


Aus der Feder eines Reichsbahnoberinspektors im Ruhestand, Dezember 1951:

Deutschland geht mir über alles (1),
über alles in der Welt,
wenn es stets zum Schutz und Trutze
brüderlich zusammenhält.
Für Einigkeit und Recht und Freiheit
als des Glückes Unterpfand
blüh im Glanze dieses Glückes,
blühe Deutsches Vaterland.


Hymnendichtung eines Uno-Fans: Eingesandt 1951 aus Westfalen.

Was die andern Völker ließen,
nach schwerem Kampf und langem Krieg,
das lass dich nimmermehr verdrießen,
hinauf, hinauf, auch ohne Krieg.
Für dich kommt mal der Tag der Freude,
dass du der 'Uno' angehörst,
Dann erst erhebst du deine rechten Arme,
Zum Himmel - ach! - empor und schwörst:
Schwarz, rot, gold bleibt unsere Fahne,
Republik das vierte Reich
und vom Enkel bis zum Ahnen
sind wir eines Sinnes gleich:
Heldengeist und Heldentreue,
Heldensinn und Heldenmut.
Deutschland, Deutschland über alles,
wenn dir das sitzt in deinem Blut.


Liedgut aus Bayern: "Der defensive Charakter der Strophe wird zumal auch im Auslande vermutlich besonders Anerkennung finden", war dieser wenig versmaßsichere Hymnenlieferant überzeugt.

Schmach dem, der diesem Land
stiehlt auch nur eine Hand
vom Heimatgrund.
Nie wird es dir gedeihn!
Brachst in den Tempel ein,
deutsch wird es ewig sein,
schwört dir der Bund!
Frei soll das Land meiner Väter sein,
solange noch die Sterne glühn!


Hymnenvorschlag eines volksdeutschen Flüchtlings aus Polen:

Deutschland, Deutschland unsere Habe,
unser Hoffnungslicht.
Schwer geprüft in unserer Lage
doch wir zweifeln nicht.
Wollen nun auf Gott vertrauen,
bitten Gott um Rath,
unsere Heimat aufzubauen,
gründen unsern Staat.



"...erlaube ich mir die Deutschlandhymne dem hochgeehrten Herrn Bundeskanzler ergebenst zu widmen": Der Textvorschlag eines Lehrers aus dem Frühjahr 1951.

Starker Glaube uns gemahnt,
von den Alpen bis zum Meere (2),
segne unser Vaterland!
Unsre Täler, unsre Höhen
sind uns Heimat, Brot und Heil!
Unsre Herzen stets für Deutschland,
Friede bei uns immer weil!
Heitrer Sinn (3) und frohes Schaffen,
Freiheit, Recht empor zum Licht!
Schwiele Hände sind unser Adel,
Emsig Arbeit unsre Pflicht.


Beten, kämpfen, arbeiten: Verfasst 1951 von einem Rentner aus Bayern.

Segne Du, o Herr der deutschen Arbeit,
auf dass Fleiss und Geist erhalten bleibt.
Geht hin, verkündet dies in aller Welt:
Wer Deutsch gewählt, der nie gefehlt.
Wenn du mich rufst mein Heimatland,
streit ich mit dir fürs Vaterland,
Sprech kämpfend noch ich ein Gebet,
weil meine Wieg' in Deutschland steht.


Nationalliedvorschlag eines Studienrates: "Deutsche Wahrheit" betitelte der Autor sein Werk.

Gebt der Jugend ein Ziel,
national, echt und groß.
Es fällt keinem Staat
ohne Mühn in den Schoß.
Gebt der Jugend ein Lied,
das Begeisterung bringt,
Das zutiefst aus dem Herzen
zum Herzen erklingt:
Singt von Frieden und Freiheit,
von Einigkeit und Recht.
Ja, dann geht es dem Staat
heut und künftig nicht schlecht.


"In einfachster Weise habe ich in Worte gekleidet, wie es jedes deutsche Herz fühlt": So pries ein Architekt dem "hochgeehrten Herrn Bundeskanzler" seine Verse an.

Land der Deutschen,
Land der Treue,
unser Vaterland all Zeit,
Hort der Eintracht wirst du bleiben,
wenn bleibst brüderlich vereint.
Wo die hohen Eichen sausen,
himmelan das Haupt gewandt.
Wo die starken Ströme brausen,
du bleibst unser Vaterland.


Jugend im Fokus: Bereits im August 1949 meinte ein Flüchtling aus Ostpommern die Lösung des Hymnenproblems gefunden zu haben.

Deutschland, Deutschland, Land der Helden,
wird es bleiben stets wie einst.
Vorbildlich es immer gelte,
denn es liegt im Deutschen-Geist!
Diesen Ruhm uns keiner nehme,
deutschlands Jugend dafür sorgt.
Stets zur Höhe unser Streben,
Dann bleibt uns der Platz zur Sonn.


Neuer Staat, neues Lied: Mit seiner Dichtung glaubte dieser Autor, ein Studienrat, den Kern der Zeit getroffen zu haben.

Deutschland, Deutschland hoch in Ehren,
überall einst in der Welt,
bis durch Unvernunft das hehre
Friedensglück zerbricht, zerfällt.
Schmerzvoll war das Leid der Menschen
in der Städte Trümmerfeld.
Herr des Himmels schenke wieder
Friedensglück in aller Welt.


"Mahnen und zur Besinnung aufrufen": Die Aufgaben einer Nationalhymne nach Ansicht eines Schreibers aus Niedersachsen, 1951.

Deutsches Volk, geprüftes Volk,
du bist durch Glück und Leid gegangen,
bist gestiegen und gesunken,
warst einst Hammer und dann Amboß,
sollst den Völkern Vorbild sein;
schaffe Gutes, schaffe Großes,
ringe mit den Volksverderbern,
sei der Welt ein Friedenshort.


(Auftritt des Berliner Lehrer-Gesangsverein am 21. September 1952 in der zerstörten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.)


Die Textvariante eines Hamburger Hobbyhymnendichters:

Deutschland, Land der alt Germanen,
stehe fest und wanke nicht!
Halte treu zu deinen Fahnen,
schau sie an, mit ernst Gesicht!
Donner grollen aus dem Osten,
wann wird endlich Frieden sein?
Lasst nicht rasten und nicht rosten
vertrauet Gott, dem Herzen allein!


So dichtete etwa ein Herr aus dem Badischen im Jahr 1950:

Deutschland, Deutschland, unser Alles,
Schutz und Hort auf dieser Welt.
Meh're tausend Jahre bist du alt
und die Zeit hat dich gestählt;
Von der Römerschaft bis zur Hermannschlacht
und dem weiteren Gedeih.
Deutschland, Deutschland, unser Alles:
Sei und bleibe ewig frei!



verfasste ein offenbar beunruhigter Bürger eine Hymnenversion, die als direktes, ziemlich martialisches Echo auf den Kalten Krieg gelesen werden kann:

Wir wollen ein Tedeum singen
zu Deutschlands Ruhm und Deutschlands Ehr.
Die Freiheit müssen wir erzwingen
und wenn die Welt voll Teufel wär.
Den Kampfgeist wollen wir uns bewahren,
sind wir vom Osten her bedroht,
steht auf das Volk in hellen Scharen
getreu dem Eid bis in den Tod!


Am brachialsten drückte seine Gefühle jedoch ein Schreiber im September '51 aus. Für den Historiker Clemens Escher gehört der Text, gerade wegen seiner Schlichtheit, zu den bemerkenswertesten der Sammlung:

Deutschland, Deutschland, von Gefahren
und von Stürmen oft durchtobt,
von dem Lenker aller Welten
oft in Drang und Not erprobt.
Halt' dem Freund die deutsche Treue,
zeig' dem Feind die deutsche Faust,
die, wird sie herausgefordert,
wuchtig auf ihn niedersaust.


    Der Text des Artikels von Karin Seethaler


Nach ihrer Gründung stand die Bundesrepublik ohne offizielles Nationallied da. So griffen besorgte Deutsche zur Feder und schickten Selbstgedichtetes ans Kanzleramt. einestages erinnert an die heiße Debatte um eine neue Hymne - und präsentiert die schönsten Vorschläge aus dem Volk. Von Karin Seethaler

Das Jahr 1950 neigte sich dem Ende zu. Im Radio sprach Theodor Heuss, Präsident der noch jungen Bundesrepublik, über die vergangenen zwölf Monate: Wiederaufbau, Rechtsreformen, Sozialprodukt. Erst am Schluss kam der Knalleffekt: "In der Presse lasen Sie, der Bundespräsident werde heute eine neue Nationalhymne anordnen", hob Heuss an. Und mit sonorer Stimme las er vor, wie diese "Hymne an Deutschland" aussehen sollte: "Land des Glaubens, deutsches Land, Land der Väter und der Erben, uns im Leben und im Sterben Haus und Herberg, Trost und Pfand." (4) Danach intonierte ein Knabenchor die Komposition.

"Tief bewegend", fand Theodor Heuss diese Zeilen, die er selbst einige Monat zuvor bei dem Bremer Dichter Rudolf Alexander Schröder, Autor von Gedichtbänden wie "Elysium" und "Heilig Vaterland", in Auftrag gegeben hatte. Doch damit war er ziemlich allein. Die Mehrheit der Deutschen hatte gar keine Lust auf eine neue Hymne und wäre am liebsten bei dem 1841 von Fallersleben verfassten "Deutschlandlied" geblieben. Das schien jedoch kaum möglich. Vor allem dessen erste Strophe, die mit der Zeile "Deutschland, Deutschland, über alles" begann, erinnerte Anfang der Fünfziger nicht nur die Alliierten zu sehr an den nationalsozialistischen Größenwahn.

Also wurde improvisiert. Zu offiziellen Anlässen erklangen in den ersten Jahren der Bundesrepublik abwechselnd Beethovens "Ode an die Freude", das Studentenlied "Ich habe mich ergeben, mit Herz und Hand" oder auch "Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien". Mit dem Kölner Karnevalslied hatte der gelernte Bäcker Karl Berbuer 1949 einen bundesweiten Überraschungserfolg gelandet. Nur konnten Zeilen wie "Wir sind zwar keine Menschenfresser / doch wir küssen um so besser" die fehlende Nationalhymne auf Dauer natürlich nicht ersetzen.

Spätestens als ein peinlich berührter Konrad Adenauer bei einem Staatsbesuch in Chicago mit dem Schlager "Heidewitzka, Herr Kapitän" begrüßt wurde, war klar, dass es so nicht weitergehen konnte - dennoch sollte es bis zu einer Einigung im Hymnenstreit noch zwei Jahre dauern.

Ein Volk, viele Stimmen

Zwei Jahre, in denen sich nicht nur Politiker und Staatsmänner den Kopf darüber zerbrachen, wie man Deutschland künftig besingen sollte. Auch viele Bürger beteiligten sich an der Debatte und bewiesen dabei einen erstaunlichen Elan. Den Nachweis dafür fand kürzlich der Historiker Clemens Escher im Bundesarchiv in Koblenz. Der Wissenschaftler stieß dort auf ganze Stapel von Briefen, die wohlmeinende bundesdeutsche Bürger an ihre Regierung in Bonn geschickt hatten, Betreff: Text- und Melodievorschläge für eine neue deutsche Nationalhymne. (5)

"Eigentlich dürfte es diese Dokumente gar nicht mehr geben", wundert sich Clemens Escher über die Entdeckung, die ihm in Koblenz unverhofft in den Schoß fiel. Warum die Unterlagen überhaupt aufgehoben wurden, sei unklar. Bürgerbriefe stünden sonst ganz unten in der bürokratischen Hierarchie. "Vielleicht, weil es sich bei der Nationalhymne auch ein bisschen um ein staatstragendes Thema handelt", mutmaßt der Historiker.

Insgesamt 212 Einsendungen wertete Escher aus. Die erste wurde bereits 1949, die letzte 1952 verfasst. Wechselweise waren sie an Konrad Adenauer, Theodor Heuss oder ans Bundesinnenministerium adressiert. Bei den Absendern - vor allem Männer - handelte es sich großteils um Befürworter des Deutschlandliedes, die an der alten Hymne von Fallersleben hingen und die "schönen Klänge" auch in Zukunft nicht missen wollten. (6)

"Andere Nationalhymnen sind auch keine Schlager"

So fragte etwa im April 1951 ein traditionsbewusster Bürger das Bundeskanzleramt: "Warum überhaupt eine neue Melodie? Mit der Deutschlandlied-Melodie hat das deutsche Volk Freud und Leid durchlebt. Die Melodie ist eisernes deutsches Volksgut geworden und wird es bleiben. Sie gehört zum deutschen Volk, zur deutschen Eiche wie 'Stille Nacht, Heilige Nacht' zur Christenheit."

Ähnlich sah das ein Architekt aus Norddeutschland: "Als Grund gegen das Deutschlandlied wird angegeben, es sei veraltet", wandte er sich direkt an den Bundespräsidenten, "betrachten Sie bitte die Texte anderer Nationalhymnen, die auch keine Schlager sind. Niemand nimmt an ihnen Anstoß, am wenigsten wir Deutschen."

Den alten Fallersleben-Text unverändert übernehmen wollte trotzdem kaum jemand. Viele der Briefeschreiber waren jedoch der Ansicht, es genüge, die erste Strophe geringfügig abzuändern, um den anstößigen Text glatt zu bügeln. (7) Eifrig boten sie Verbesserungsvorschläge an: Statt "Deutschland, Deutschland, über alles" könne man doch singen "Frieden, Freiheit, über alles". Auch Variationen wie "Deutschland geht mir über alles" (8) oder "Deutschland, Deutschland, Land der Ahnen" wurden zur Diskussion gestellt.

Der Vorschlag, der am weitaus häufigsten auftauchte, lautete: "Deutschland, Deutschland, du mein alles". Er wurde so oft eingesandt, dass man in den Behörden offenbar schon die Geduld verlor. "Alte Jacke", kommentierte ein Beamter die Zeile mit Rotstift auf einem der Briefe.

Von Gott und Germanen

Andere sahen ein, dass es mit solch kosmetischen Korrekturen wohl nicht getan sein würde, und beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Von der Muse geküsst, griffen sie zur Feder und brachten eigene Textvorschläge zu Papier. Die Themen, die sie darin aufgriffen, umfassten ein breites Spektrum: Vom Herrgott bis zu den deutschen Eichenwäldern und den alten Germanen wurde alles beschworen, worin man deutsche Tradition und deutsche Werte zu erkennen glaubte. So dichtete etwa ein Herr aus dem Badischen im Jahr 1950:

Deutschland, Deutschland, unser Alles,
Schutz und Hort auf dieser Welt.
Meh're tausend Jahre bist du alt
und die Zeit hat dich gestählt;
Von der Römerschaft bis zur Hermannschlacht
und dem weiteren Gedeih.
Deutschland, Deutschland, unser Alles:
Sei und bleibe ewig frei!

"Dieser Rekurs auf die Germanen hat mich schon überrascht", erklärt Clemens Escher. Der Bezug auf die Hermannsschlacht, deren Heroismus auch die Nazis gern beschworen, wirke seltsam in dieser Zeit. Schließlich sollte damit ein Staat geehrt werden, der eine Neugründung war und sich an der westlichen Wertegemeinschaft orientierte. "Andererseits", so der Historiker, "ist es vielleicht doch nicht so überraschend, wenn man sich vor Augen hält, dass der Nationalsozialismus ja noch nicht so schrecklich lange her war."

Doch nicht alle Autoren gingen in der Geschichte zurück. Viele nahmen auch Bezug auf aktuelle Ereignisse und reflektierten in ihren Dichtungen die Situation Europas, das Kriegsende und die immer stärker spürbare Ost-West-Trennung. Unter diesem Eindruck verfasste ein offenbar beunruhigter Bürger eine Hymnenversion, die als direktes, ziemlich martialisches Echo auf den Kalten Krieg gelesen werden kann:

Wir wollen ein Tedeum singen
zu Deutschlands Ruhm und Deutschlands Ehr.
Die Freiheit müssen wir erzwingen
und wenn die Welt voll Teufel wär.
Den Kampfgeist wollen wir uns bewahren,
sind wir vom Osten her bedroht,
steht auf das Volk in hellen Scharen
getreu dem Eid bis in den Tod!

Mit Sausefaust gegen den Kommunismus

Am brachialsten drückte seine Gefühle jedoch ein Schreiber im September '51 aus. Für den Historiker Clemens Escher gehört der Text, gerade wegen seiner Schlichtheit, zu den bemerkenswertesten der Sammlung:

Deutschland, Deutschland, von Gefahren
und von Stürmen oft durchtobt,
von dem Lenker aller Welten
oft in Drang und Not erprobt.
Halt' dem Freund die deutsche Treue,
zeig' dem Feind die deutsche Faust,
die, wird sie herausgefordert,
wuchtig auf ihn niedersaust.

"Naja, zur Nationalhymne hat es halt nicht gereicht", meint Escher lachend. Ernsthaft in Erwägung gezogen wurde sowieso keiner der Textvorschläge. Die meisten wurden umgehend von der Bürokratie geschluckt. Man werde die Post gegebenenfalls prüfen, sollte es in der Sache zu Beratungen kommen, wurden die Absender formell-freundlich vertröstet. Doch es kam nie dazu. (9)

Es war ein anderer Briefwechsel, der die Hymnenfrage schließlich löste: Im April 1952 wandte sich Kanzler Konrad Adenauer, von dem Hin und Her endgültig entnervt, an Bundespräsident Theodor Heuss und bat ihn im Namen der Regierung, das Deutschlandlied offiziell als Nationalhymne anzuerkennen. Inzwischen hätten ja auch die "innenpolitischen Vorbehalte" gegen den Text des Liedes "an Schärfe verloren". Adenauer spielte damit auf ein oft vorgebrachtes Argument der Fallersleben-Befürworter an: Dass dessen Worte schon in der Weimarer Republik zur Hymne bestimmt worden wären und mit nationalsozialistischem Gedankengut gar nichts zu tun hätten. Um sicher zu gehen, schlug der Kanzler vor, sei bei offiziellen Anlässen künftig nur die dritte, unbelastete Strophe zu singen. (10)

Widerstrebend und immer noch enttäuscht von dem Misserfolg seines eigenen Hymnenvorschlags, willigte Heuss ein und erkannte Text und Melodie des Deutschlandliedes als "Tatbestand" an. "Ich habe den Traditionalismus und sein Beharrungsbedürfnis unterschätzt", gab er sich in seinem Antwortschreiben an Adenauer geschlagen. Die beharrungsbedürftigen Bürger selbst schienen zufrieden. Sie stellten die Einsendung eigener Hymnenvorschläge ein. (11)


______________________

(1)
Nation-Hymne erste Strophe erste Zeile, jedoch nicht in der Ich-Form.

(2)
Nation-Hymne: 1. Strophe, 5. Zeile: "Von den Küsten zu den Alpen"

(3)
Nation-Hymne: 6. Strophe, 5. Zeile: "Lasst uns musizieren, scherzen"

(4)
Das Lied von Rudolf Alexander Schröder ist einzigartig, einfach wunderbar, Heuss hatte recht. Da der Text von einem Pfarrer stammt, wird Deutschland zu einer Art Glaubens-Land. Die Schweizer Hymne beschreibt die Gottes-Landschaft, wie sie Caspar David Friedrich malte. Der Ansatz stand also nicht allein da. Das Kultur-patriotische Feuer von Hoffmann von Fallersleben, das die Nation-Hymne zu wahren versucht, hat der Text allerdings nicht.

(5)
Die Quellen der Dichtungen bundesdeutscher Bürger sind noch frisch, wurden erst jetzt ausgegraben. Ich bin froh darüber, dass Zeilen von mir auch schon damals in der Luft lagen, siehe Anmerkungen 1-3.

(6)
Der gewohnte Klang und das Deutschland sollten bewahrt werden, leichte Veränderungen durften sein. Auch hier bin ich froh, dass die Nation-Hymne diesen breiten Empfindungen folgt.

(7)
Hier wird betont, dass eine geringfügige Veränderung gewünscht wurde. Genau dies befolgt die Nation-Hymne.

(8)
Besonders häufig wurde "Deutschland geht mir über alles" vorgeschlagen. Die Nation-Hymne hat: "Deutschland geht uns über alles". Damit wird die vielfach missgedeutete Zeile "Deutschland, Deutschland über alles" (nicht über allem) richtig gestellt. Sie kann darum am Schluss der Strophe getrost gesungen werden, denn oben wird ja klar gemacht, wie sie zu lesen ist und wie sie HvF auch gedichtet hat.

(9)
Von der "Bürokratie" verschluckt. Treffender kann man die Ohnmacht des Bürgers nicht ausdrücken. Gar so ohnmächtig ist der Bürger aber nicht, wenn er beharrlich Qualität präsentiert. Die Nation-Hymne sollte inzwischen nach über 10 Jahren diese Qualität besitzen.

(10)
Adenauer war unerschrocken. Er wollte das Deutschlandlied in seiner historischen Dimension verstanden wissen. Nur sicherheitshalber ließ er immer die dritte Strophe singen. Aber alle Strophen waren Deutsche National-Hymne.

(11)
Die von Adenauer geschaffene Situation war gut. Kohl/Weizsäcker machten daraus Hackfleisch und eliminierten die erste und zweite Strophe als "unerwünscht", verfälschten somit das Original und gaben der dritten Strophe einenisolierten Sinn, der für sich genommen aus mehreren Gründen kitschig erscheint, siehe im Link den Nachtrag 20/August/2011.

Beitrag von micha » 18.08.2006, 09:09

Eine sehr gute Gesamtsicht, unterstützt durch Fachliteratur, wurde in der universitären Wissensvermittlung platziert:

http://www.lied-aller-deutschen.de/view ... hp?p=12#12

Fundgrube Internet

Beitrag von micha » 16.08.2006, 16:19

http://www.uni-stuttgart.de/hilaritas/H ... ed-dd.html

Fahne und Deutschlandlied entstammten der deutschen Burschenschaftsbewegung. Darum soll ein historischer Abriss und eine Deutung gezeigt werden, die von einer Verbindung stammt: http://www.uni-stuttgart.de/hilaritas/H ... ed-dd.html

Der Text lautet:

Hintergrund

Die Burschenschaften, die sich in der Tradition der Jenaer Urburschenschaft sehen, singen dieses Lied seit seiner Dichtung durch den Burschenschafter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 in dieser Form und voller Länge. In diesem Jahr hielt sich von Fallersleben, von der monarchistischen Exekutive verfolgt, auf Helgoland auf, wo dieses Lied entstand. Helgoland gehörte damals noch zu Großbritannien. Von Fallersleben wählte als Musik für seinen Text das sanfte Streicherstück "Kaiserquartett" von Josef Haydn, gespielt von nur 4 Streichern. Die Wahl dieser Musik war als Affront gegen die Monarchie gedacht, denn Haydns Stück war das Gewinner-Werk in einem besonderen Musik-Wettbewerb. Die Ausschreibung suchte eine Melodie für die Hymne der Donaumonarchie Österreich-Ungarn, die dann auch mit "Gott erhalte Franz den Kaiser" so eingeführt wurde. Ironischerweise veröffentlichte von Fallersleben das Lied in seinem "unpolitischen Liederbüchlein", versteckt zwischen vielen Volks- und vor allem Kinderliedern, die er geschrieben hat und die auch heute noch sehr bekannt sind.


Geschichtlicher Verlauf

Das "Lied der Deutschen" wurde schon in der Revolutionszeit um 1848/1849 als Lied für ganz Deutschland verwendet, allerdings hatte dieses Thema damals keine große Bedeutung. So wie das Lied von einem Burschenschafter kam, so wählte die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche auch die burschenschaftliche Trikolore Schwarz-Rot-Gold als Nationalfarben. Doch leider scheiterte dieser erste wirklich parlamentarische und demokratische Ansatz, und die Monarchen regierten weiter.

1870/1871, unter der Leitung von Fürst Otto von Bismarck, wurde nach dem Sieg des Deutschen Bundes unter Führung Preußens über Frankreich das Wilhelminische Kaiserreich gegründet. Als Farben wurden die preußisch-kaiserlichen Farben Schwarz-Weiß-Rot gewählt, eine offizielle Hymen wurde nicht festgelegt. Bei Anlässen in Bezug oder gar mit Anwesenheit des Kaisers wurde die Kaiserhymne "Heil Dir im Siegerkranz" gespielt, Melodie gleich der der englischen Hymne "God save the Queen". Bei sonstigen nationalen Anlässen wurden die Lieder "Die Wacht am Rhein" und "Was ist des Deutschen Vaterland" aufgeführt. Das "Lied der Deutschen" wurde von offizieller staatlicher Seite erstmals 1890 an seinem Ursprungsort Helgoland verwendet, zur Feier des Übergangs von britischer in deutsche Gebietszugehörigkeit, im Tausch gegen die ferne Insel Sansibar. Danach verbreitete sich das Lied sehr schnell in Deutschland, und erreichte schon Anfang des 20. Jahrhunderts den Status einer inoffiziellen Nationalhymne.

1914 kam das Lied zum ersten Mal zu trauriger Berühmtheit. Viele tausend studentische (damals fast alle korporierte) Kriegsfreiwillige zogen damit in den ersten Weltkrieg und dessen Schlachten. Ein große Zahl von ihnen fand schon bald, verursacht durch schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Führung den Tod in einem Desaster bei Langemarck (so die deutsche Schreibweise, "ck" mit der schärferen Aussprache war damals in Mode, auf flämisch heißt der Ort "Langemark") in Flandern. Verglichen mit dem Mythos, die jungen Soldaten hätten in der Schlacht bei Langemarck das Lied aus nationaler Begeisterung gesungen, sieht die historische Wirklichkeit nüchtern aus: Die Führung der einzelnen Truppenteile war so chaotisch, und der Nebel und Pulverdampf so dicht, daß das laute Singen des Liedes als letzte Möglichkeit der Freund-Feind-Erkennung übrigblieb, um ein gegenseitiges Beschiessen der eigenen Seite zu vermeiden.

1918/1919, nach Ende des ersten Weltkrieges, war das Reich am Ende, der Kaiser dankte ab, und die bewegte Zeit der Weimarer Republik begann. Die Siegermächte verboten vorerst das Lied und seine Verwendung. Trotz all der radikalen Tendenzen in dieser Zeit besann man sich auf den wichtigsten Urprung der deutschen Demokratie und des liberalen Parlamentarismus, und bestimmte wieder Schwarz-Rot-Gold als Fahne und das "Lied der Deutschen" als Hymne. Die Ernennung dazu erfolgte am 11.8.1922 durch Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD), anläßlich der Feier des 4. Jahrestages der Weimarer Verfassung. Auszug aus seiner Ansprache:

"Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck, er soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten. Sein Lied, gesungen gegen Zwietracht und Willkür, soll nicht Mißbrauch finden in Parteikampf ..., es soll auch nicht dienen als Ausdruck nationalistischer Überhebung. Aber so wie der Dichter, so lieben wir heute Deutschland über alles. In Erfüllung seiner Sehnsucht soll unter den schwarzrotgoldenen Fahnen der Sang von Einigkeit und Recht und Freiheit der festliche Ausdruck unserer vaterländischen Gefühle sein."


Die Nazis, als Sieger aus "demokratischen" Wahlen hervorgegangen, übernahmen 1933 die Macht im Land und begannen die Gleichschaltung. Schwarz-Rot-Gold mußte der Hakenkreuzfahne weichen, das "Lied der Deutschen" wurde pervertiert: Die erste Strophe wurde dem Horst-Wessel-Lied ("Die Fahne hoch") vorangestellt, dem Kampflied der SA. Aus der Liebe zum Vaterland und dem Einsatz für Staat und Gesellschaft als oberstes Ziel wurde der Weltherrschaftsanspruch der "Herren-Menschenrasse". Mit der ersten Strophe auf den Lippen rollte der zweite Weltkrieg über Europa ...

1949 erfolgte vier Jahre nach der totalsten Niederlage die Gründung der beiden deutschen Staaten. Wieder erfolgte ein Besinnen auf die demokratischen Wurzeln des vorigen Jahrhunderts. Beide Staaten, auch die sozialistische DDR, wählten die burschenschaftlichen Farben Schwarz-Rot-Gold als Fahne, die DDR jedoch mit einigen Zusätzen. Bei der Hymne verwendete die DDR eine Neudichtung ("Auferstanden aus Ruinen"), deren Text sie jedoch selbst später verbot, weil darin die Zeile "Deutschland - einig Vaterland!" vorkam. Die Bundesrepublik wählte ihre Hymne per Briefwechsel 1952 zwischen dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und dem ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss (FDP). Darin setzte sich Adenauer (auch mangels Alternativen) für das "Lied der Deutschen" ein, Heuss antwortete, die erste Strophe sei zu sehr diskreditiert, die zweite etwas zu trivial, aber die dritte sei angemessen und tragbar. Es wurde formuliert: "Das Lied der Deutschen ist Hymne, gesungen wird bei offiziellen Anlässen die dritte Strophe."

In den achtziger Jahren gab es einen innenpolitischen Streit, weil der CDU angehörige Kultusminister Schulkinder den Text aller drei Strophen lernen ließen. Vor allem die erste Strophe leidet immer noch unter ihrem Mißbrauch in der Nazi-Zeit.

Im August 1991, ein Jahr nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten in Frieden und Freiheit, wurde wieder in einem Briefwechsel zwischen Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU) und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Hymne für das "neue" Deutschland endgültig festgelegt:
"Als ein Dokument deutscher Geschichte bildet es in allen seinen Strophen eine Einheit ... Die 3. Strophe des Liedes der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben mit der Melodie von Joseph Haydn ist die Nationalhymne für das deutsche Volk."


Interpretation

Wenn heute gegen die Verwendung des ganzen Liedes Vorbehalte bestehen, dann meist deshalb, weil man das Lied, vor allem die erste Strophe, in seiner Auslegung durch die Nazis betrachtet. Nur wenige kennen die ursprüngliche, eigentliche Interpretation der ersten Strophe, unter der wir Burschenschafter das Lied verwenden.
Dazu als Quelle die Antrittsrede von Heinrich von Gagern (Mitglied der Heidelberger und Jenaer Urburschenschaft), Präsident der Ersten Konstituierenden Nationalversammlung, gehalten am 19. Mai 1848 in der Paulskirche zu Frankfurt am Main:

"Ich gelobe hier feierlich vor dem ganzen deutschen Volke, daß seine Interessen mir über Alles geh'n, daß sie die Richtschnur meines Betragens sein werden, so lange ein Blutstropfen in meinen Adern rinnt; ich gelobe hier feierlich, als das von Ihnen gewählte Organ Ihrer Versammlung, die höchste Unparteilichkeit. Wir haben die größte Aufgabe zu erfüllen. Wir sollen schaffen eine Verfassung für Deutschland, für das gesamte Reich ... Deutschland will Eins sein, ein Reich, regiert vom Willen des Volkes unter der Mitwirkung all seiner Gliederungen ... Wenn über Manches Zweifel besteht und Ansichten auseinandergehen, über die Forderung der Einheit ist kein Zweifel."


Somit sollte etwas klarer werden, was mit "Deutschland, Deutschland über alles" denn nun wirklich gemeint war und ist: Die Liebe zum Vaterland als hohem Ziel soll Grundlage aller politischen Handlungen sein. Die Nation, der Staat und somit die Gemeinschaft aller als oberstes Ziel, in Anlehnung an das französische "Vive la nation!". Der Staat und seine demokratischen Organe sollen über den Monarchen oder Kaisern stehen, eine Überzeugung, wegen derer von Fallersleben 1841 auch ins Ausland (Helgoland) fliehen mußte.

Diese Auslegung des Liedes verwenden wir, und finden daran nichts Anstößiges oder Falsches, auch wenn wir für die Bedenken mancher Verständnis haben. Es kann aber kein Zufall sein, daß dieses Lied im Lauf der Geschichte zweimal zur Hymne auserkoren wurde, in der heutigen Bundesrepublik "nur", aber "immerhin", in seiner bedeutungsvollsten, dritten Strophe. Ende des Auszugs.

Danach wird auf den wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages 22/96 verwiesen, siehe http://www.lied-aller-deutschen.de/viewtopic.php?p=5#5 Die Autoren konntrollierten ihre kompetente Zusammenfassung am Text des wissenschaftlichen Dienstes.

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